4. Juli 2025

Zur Lage der “Werktätigen”

CINEARTE meldet:
Dass sich die „Produktionsflucht“ aus Deutschland gerade beschleunigt, sei wohl auch ein bisschen die Schuld der Filmschaffenden, hat Lisa Priller-Gebhardt für die „Süddeutsche Zeitung“ [Bezahlschranke] beim „Bayerischen Filmgipfel“ herausgefunden: „Fragt man unter Produzenten nach weiteren Gründen dafür, dass sie inzwischen um Deutschland einen Bogen machen, dann ist schnell auch vom neuen Tarifvertrag die Rede, der Anfang Mai in Kraft getreten ist. Er umfasst unter anderem eine Begrenzung der Tageshöchstarbeitszeit, Zuschläge für lange Drehtage sowie einen zusätzlichen bezahlten freien Tag je 20 Drehtage, zweimalige Gagenerhöhungen um 2,5 Prozent sowie eine branchenweite betriebliche Altersvorsorge mit vier Prozent Arbeitgeberzuschuss von nächstem Jahr an.“
Die größte Interessenvertretung der Produzent*innen kennt die Realitäten besser: „Unsere Branche muss für Fachkräfte und Nachwuchs attraktiv sein, nur so bleibt sie zukunftsfähig“, meldete die Produktionsallianz zum Start des Tarifvertrags. Denn nicht nur wegen der Produktionsflaute hat die Branche Probleme, Nachwuchs zu finden und Fachkräfte zu halten.
Was die Zahlen aus dem Tarifvertrag tatsächlich bedeuten, hatten wir voriges Jahr mit Beispielen vorgerechnet [hier auf „Outtakes“]:
#1. Die Tarifgage einer Außenrequisite stieg von 2009 bis 2023 um fast 40 Prozent. Im Bundesdurchschnitt sind die Löhne in dieser Zeit um 77 Prozent gestiegen. Ähnlich ist das Minus bei den anderen Gewerken. 
#2. Gestiegen sind auch die Preise im Land – inflationsbereinigt bleiben von fast 40 Prozent nur 4 Prozent an Steigerung in 14 Jahren. 
#3. Der Bundesdurchschnitt hat 28 bezahlte Urlaubstage, mindestens 24 Tage schreibt das Bundesurlaubsgesetz vor. Mit den ,Arbeitszeitverkürzungstagen’ beim Film sind bestenfalls 10 zu erreichen.
Wie es aussieht „below the line“ ergründet der Berufsverband Script Supervisor(BVSS) mit seiner jährlichen Umfrage zu Gagen und Arbeitsbedingungen, die beim Verband angefragt werden kann. Von „ca. 200“ Script Supervisors haben 59 geantwortet – fast die Hälfte sind weder in einer Gewerkschaft noch in einem Berufsverband. 
Um das Positive voranzustellen: Es ist 2024 zumindest nicht ganz so sehr viel schlechter geworden als im Katastrophenjahr 2023. Im Durchschnitt haben die Teilnehmer*innen 2024 an 2,8 Produktionen gearbeitet und kamen damit auf 140 Sozialversicherungstage – nicht ganz fünf Monate. Zwar wurde (im Durchschnitt) überall (selbst bei den TV-Dailys) über der tariflichen Mindestgage gezahlt. Aber: „47 Prozent finden, die Produktionen haben die schlechte Auftragslage ausgenutzt z.B. durch Drücken der Gage“, schreibt der BVSS in seiner Zusammenfassung der Ergebnisse.  
Die Lage in Zahlen: „22 Prozent haben so viel gedreht wie bisher und 35 Prozent konnten trotz weniger Anfragen genügend drehen; 19 Prozent haben weniger gedreht als sonst; 6 Prozent sind mit der Gage runtergegangen; 7 Prozent haben Jobs abgelehnt, weil zu wenig gezahlt wurde; 11 Prozent haben alles angenommen, um drehen zu können; je 7 Prozent mussten Bürgergeld beantragen oder sich einen Zweitjob suchen.“ 
Die Zufriedenheit mit dem Beruf ist jedenfalls deutlich gesunken. 56 Prozent der Script Supervisor vergeben hier die Schulnoten 2 und 3. Im Jahr davor waren es noch 85 Prozent. Die Konsequenz ist in der neuen Umfrage erstmals in Zahlen beschrieben: „27 Prozent denken darüber nach, die Filmbranche zu verlassen; 7 Prozent haben den Entschluss bereits gefasst bzw. 9 Prozent schauen sich bereits um.“   

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