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Urteil des Bundessozialgerichts zum Statusfeststellungsverfahren für einen freien Kameramann

Aktuelles Gerichtsurteil: Wichtige Entscheidung für den Bundesverband der Fernsehkameraleute BVFK

Nach langem Warten ist das Urteil endlich gefällt worden, über das der BVFK seit Jahresbeginn gesprochen und es angekündigt hat. Diese Entscheidung bringt viele Erkenntnisse für den Verband und die gesamte Branche, auf die wir schon lange gewartet haben. Es beleuchtet einige wichtige Aspekte positiv, die für eine sichere selbstständige Tätigkeit entscheidend sind, insbesondere in Bezug auf den Abgrenzungskatalog im Sozialrecht, dem Weisungsrecht, der Eingliederung in den Betrieb, der sozialen Absicherung und das unternehmerische Risiko.

 

ZITATE:

… Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und der gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder sind daher grundsätzlich nicht – auch nicht im Sinne einer “Regel-Aus-

nahme-Aussage” – Vielmehr gelten die aufgezeigten Maßstäbe grundsätzlich auch für Tätigkeiten, die einer bestimmten Kunstgattung zuzuordnen sind. Eine Modifikation der

allgemein zur Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Merkmale ist insbesondere nicht aufgrund der durch Art 5 Abs 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Kunstfreiheit geboten. Die künstlerische Gestaltungsfreiheit schließt ähnlich wie die fachliche Weisungsfreiheit von höher qualifizierten Mitarbeitern eines Unternehmens oder in den sogenannten freien Berufen tätigen Personen die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers im Rahmen der funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess nicht von vorneherein aus. Der von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erstellte “Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätigen Personen” enthält lediglich Beurteilungshilfen für die Praxis. Die Sozialgerichte sind daran bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall nicht gebunden. …

— Der Klägerin stand kein beschäftigungstypisches, Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendes Weisungsrecht zu. Die eine Beschäftigung indizierenden sind insbesondere von Weisungsrechten im Rahmen eines freien Werkvertrags zu unterscheiden. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer konkrete Anweisungen zur geschuldeten Werkleistung erteilen die Erstellung des Werks nach seinen Vorstellungen vereinbaren. Das umfasst auch die Vereinbarung eines Termins zur Fertigstellung und Absprachen mit dem Auftraggeber und anderen Werkunternehmern zur Reihenfolge mehrerer ineinandergreifen der oder aufeinander aufbauender Gewerke. Solche sich allein auf die Ausführung des geschuldeten Werks beziehende Anweisungen stehen noch nicht den sozialversicherungsrechtlichen beschäftigungstypischen Weisungsrechten gleich. Beschäftigungstypische Weisungsrechte beziehen sich grundsätzlich auf den gesamten Arbeitskrafteinsatz und konkretisieren dadurch die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber dem Weisungsgeber. …

… Ob die Klägerin ihren Kunden einen Rohfilm oder einen fertigen Magazinbeitrag als Werk schuldete und sich dazu vom Beigeladenen (Kameramann) einen Teilbeitrag oder auch den ganzen Film liefern ließ, ist für die Statusbeurteilung des Beigeladenen unerheblich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Klägerin den Endkunden selbst das Werk schuldete oder den Beigeladenen als Kameramann lediglich an Endkunden vermittelte und gegebenenfalls noch als Abrechnungsstelle auftrat, denn das ändert nichts daran, dass jeweils ein eigenverantwortliches (Teil)Werk geschuldet war. Eine (unzulässige) Arbeitnehmerüberlassung kommt deshalb nicht in Betracht. …

… Für eine Eingliederung des Beigeladenen in eine Arbeitsorganisation des jeweiligen Endkunden, die zugleich als Eingliederung in die Organisation der Klägerin zu werten wäre, gibt es auch im Übrigen keine Anhaltspunkte. Deren gelegentliche Überlassung von Arbeitsmitteln genügt hierfür jedenfalls nicht. …

… Der Beigeladene (Kameramann) unterlag bei seinen Auftragsarbeiten den für unternehmerisches Handeln typischen Chancen und Risiken in Bezug auf die Produktion und Verwertung seiner Filmbeiträge. Zwar begrenzte der erfolgsunabhängige Tagessatz die Möglichkeiten des Beigeladenen, seinen Gewinn durch effizientes Arbeiten zu optimieren, und zugleich das Risiko des Verdienstausfalls,  weil der Tagessatz unabhängig davon abgerechnet werden konnte, an wie vielen Stunden am Tag – zB infolge des Wetters – Dreharbeiten möglich waren. Entgegen der Annahme des LSG ist der vereinbarte Tagessatz aber nicht als reines Stundenhonorar zu verstehen. Da der Tagessatz bis zu zehn Stunden umfasste und darüber hinausgehende Stunden zusätzlich zu vergüten waren, konnte der Beigeladene seinen Gewinn durch effizientes Arbeiten zumindest in begrenztem Umfang optimieren, wenn er an einem Tag weniger als zehn Stunden benötigte. Der Beigeladene trug auch das Risiko des eventuell wetterbedingten vollständigen Drehausfalls für einen Tag. …

… Verfassungsrecht, insbesondere die Kunstfreiheit, steht der Einordnung der Tätigkeit des beigeladenen Kameramanns als selbstständig nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene programmgestaltend tätig war. Die Rundfunkfreiheit gebietet nicht, dass nur programmgestaltende Tätigkeiten sozialversicherungsrechtlich selbstständig ausgeübt werden können Es ist auch nicht automatisch jeder, der außerhalb des programmgestaltenden Bereichs an der Entstehung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen mitwirkt, ohne Weiteres als Beschäftigter oder Arbeitnehmer anzusehen. …

Der Ausgangspunkt dieses Urteils war ein bereits 2014 eingeleitetes Statusfeststellungsverfahren für einen freiberuflichen Kameramann. Die Deutsche Rentenversicherung stufte ihn als abhängig Beschäftigten ein, wogegen damals Klage erhoben wurde. Nach einem langwierigen Prozess von zehn Jahren wurde nun Ende 2023 das Urteil des Bundessozialgerichts gefällt und ist nun online einsehbar. Dieses Urteil entschied, dass die Tätigkeit des Kameramanns entgegen der Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung als selbstständig einzustufen ist.

Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, insbesondere für Kameraleute im Bereich der elektronischen Berichterstattung (EB), vorzugsweise solche mit eigener Ausrüstung. Für Kameraleute im Verbund bleibt jedoch der unbefriedigende Status quo seit dem Urteil von 2009 bestehen. Eine Korrektur in diesem Bereich war jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens, und eine Änderung konnte daher nicht erwartet werden.

Bundessozialgerichtsentscheidung vom 20. Juli 2023

Am 20. Juli 2023 gab es folgende Sozialgerichtsentscheidung zum Ausschluss von Sozialversicherungspflicht durch Vertragsbeziehung mit einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft:

Urteil

Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.3.2017

zur Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit:

Urteil vom 31.3.2017

Bundessozialgericht entscheidet über die Künstlereigenschaft von Kameraleuten

Ein für unseren Berufsstand relevantes höchstrichterliches Urteil des Bundessozialgerichtes vom 29.11.2016, Az.: B 3 KS 2/15 R – Kameraleute:

Urteil vom 29.11.2016 – B 3 KS 2/15 R

siehe dazu auch: Eintrag des bvk