“Heute braucht es eine 360-Grad-Sicht”
Ich durfte ZDFneo mit aufbauen, habe vorher als Redakteur in der Chefredaktion gearbeitet, war Programmplaner und später Programmdirektor. Aus den verschiedenen Perspektiven und mit den Jahren ist die Erkenntnis gereift, dass wir im ZDF eine große Strukturreform brauchen. Dass wir unsere Portfolio-Steuerung, Planung und Distribution kanalübergreifend zusammenführen müssen. […]
Es hatte bisher seine Berechtigung, jeden Kanal einzeln zu planen; aber heute braucht es eine 360 Grad-Sicht auf die Dinge. Dabei behalten die Kanäle ihre Identität. Gleichzeitig haben unsere Sendungsmarken erheblich an Bedeutung gewonnen. Das ist der Blickwinkel für die Zukunft: Wie können wir die starken Programmmarken des ZDF – beispielsweise „heute“, die „heute show“ oder „Terra X“ – über alle Ausspielwege noch besser, noch gezielter zu den Nutzerinnen und Nutzer bringen. […]
Die Qualität der ZDF-Programme ist augenscheinlich – wir freuen uns gerade sehr über 30 Nominierungen beim Deutschen Fernsehpreis. Aber gewachsene Strukturen müssen bisweilen reformiert werden. […]
Wir bereiten uns auf eine Zukunft vor, in der Ausspielwege wegfallen und neue dazukommen werden. Man kann dafür aber nicht ständig Strukturen umbauen. Deswegen eine neue Direktion, die zentral unsere Portfoliosteuerung und Distribution verantwortet, auch weil Programm- und Social Media-Kommunikation nah am Programm sein sollte und schon bei der Entwicklung mitgedacht werden muss. Es geht darum, vorausschauender zu planen und effizienter zu distribuieren, ganz im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer. […]
Für die Identität der Ausspielwege ist es weiter hilfreich, wenn sie von einer Person nach innen und nach außen vertreten wird. Nur werden diese Kolleginnen und Kollegen künftig mehrere Hüte aufhaben: Wir wollen Genre-Koordinierung und Kanalidentität zusammenbringen. Wer ZDFneo verantwortet, wird über alle Ausspielwege hinweg auch für die Genres verantwortlich sein, die ZDFneo besonders prägen. Gleiches gilt für ZDFinfo und auch die Kulturprogramme. Gleichzeitig geht die redaktionelle Zuständigkeit für Phoenix in die Chefredaktion, für Arte in die Programmdirektion. Beides war bislang in der Intendanz angesiedelt. Mit der Gründung einer neuen Direktion werden wir uns verschlanken und effizienter werden. […]
Die neue Direktion für Steuerung, Planung und Distribution wird auf Augenhöhe eng mit der Programmdirektion und der Chefredaktion zusammen für den Erfolg unserer Angebote arbeiten. Wer diese Direktion mit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leiten wird, kann ich noch nicht öffentlich sagen. […]
Die neue Direktion hat auch eine stark beratende Funktion, soll die Programmdirektion und Chefredaktion in ihrer Programmarbeit unterstützen. Wir haben intensiv um die beste Struktur gerungen, aber sind uns jetzt sehr einig, dass dies eine zukunftsweisende Aufstellung ist. Nur gemeinsam sind wir stark und kann der Umbau gelingen. […]
Auf absehbare Zeit gehören die linearen Kanäle zum Erfolg – und nicht nur das Hauptprogramm. Neo und Info machen linear ein Drittel des jungen Publikums des ZDF aus. Sie sind ein zentraler Bestandteil unserer Verjüngungsstrategie. Aber wir definieren das ZDF der Zukunft so: alle für den öffentlich-rechtlichen Auftrag relevante Genres und Marken müssen ihr Publikum finden, egal auf welchem Distributionsweg. Eben ein ZDF für alle. Und Konflikte, die sich bei dieser zukunftsgewandten Definition unseres Auftrags ergeben, lassen sich nur inhaltlich im Diskurs lösen und weniger mit einem Wechsel von Begrifflichkeiten.
https://www.dwdl.de/interviews/99529/norbert_himmler_heute_braucht_es_eine_360grad_sicht/
Quelle: DIMBB-MEDIEN-News